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PTJ_Geschäftsbericht_2012

Schreurs: Wir haben innerhalb der Wissenschaf- ten die starke Orientierung an den Disziplinen. Mehr Interdisziplinarität würde schon zu neuen For- schungsfragen und Ergebnissen führen. Wir haben aber auch den sprichwörtlichen Elfenbeinturm. Die Wissenschaft hat häufig nicht genug Kontakt zur Gesellschaft, die von unserer Forschung betroffen ist und für die die Forschung letztendlich gemacht wird. Das muss sich ändern, und deshalb ist es wichtig, die Ideen der Gesellschaft stärker in die Forschung einzubinden, in den Forschungsprozess selbst. Gibt es irgendwo auf der Welt schon Vorbilder, an denen man sich da orientieren kann? Weber: Gerade was die Nachhaltigkeitsforschung betrifft, könnte man Deutschland durchaus als Pio- nier bezeichnen. Aber es gibt auch vergleichbare Bestrebungen in ganz Europa. Im kommenden EU- Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 wird Nachhaltigkeit und auch die Idee einer Green Eco- nomy explizit adressiert. Man wird einen „challenge based approach“ verfolgen, also nicht mehr auf Ein- zeltechnologien setzen, sondern sich an den großen Herausforderungen für die Gesellschaft orientieren. Und dann fragt man die Community, welche Lösun- gen sie zu bieten hat. Insofern ist die Europäische Union da ganz gut aufgestellt. Schreurs: In der Produktforschung bindet man an- dernorts natürlich die Gesellschaft ein. Ein Hersteller will schließlich sehen, was die Leute mögen und was sie kaufen. Dann gibt es die so genannte „citizen science“, in der man die Gesellschaft, sprich Freiwil- lige, an Forschungsprojekten beteiligt, etwa bei der Bestandsaufnahme von Ökosystemen. Ein weiteres Beispiel ist die Stadtplanung. Da ist die Akzeptanz ganz zentral. Der Zukunftsdialog, den das Kanz- leramt vor anderthalb Jahren einrichtete, war auch ein kleiner Schritt in diese Richtung. Man versucht die Menschen zu fragen, welche Zukunftsthemen sie im Auge haben und worauf die Bundesregierung sich fokussieren soll. Solche Befragungen sind eine Möglichkeit, die Gesellschaft stärker mit an Bord zu bringen. Weber: Das Beispiel der Stadtplanung möchte ich gerne aufgreifen. Ein Stadtentwickler muss jetzt Ent- scheidungen treffen und weiß aber gar nicht, wie sich die zukünftigen Städter dann auch verhalten werden. Da denke ich, kann eine Forschung hilfreich sein, die weit in die Zukunft schaut, die Szenarien als Hilfestellung liefert. Die Entscheidung muss na- türlich in einem gesellschaftlichen und partizipativen Diskursprozess fallen. Aber zwischen diesen Szenarien und der konkre- ten Forschung und Entwicklung klafft ja eine Lücke. Wie schließe ich die? Schreurs: Um die Energie- und Ressourcenwende, die wir brauchen, durchzusetzen, müssen wir die Probleme auch auf eine Ebene herunterbrechen, die nachvollziehbar macht, welchen Einfluss jeder per- sönlich auf deren Lösung haben kann. Im Maßstab einer Stadt verstehen die Leute oft besser, wo die Möglichkeiten liegen. In den vergangenen Jahren standen sehr stark die internationalen und nationa- len Ebenen im Fokus. Die sind natürlich sehr wichtig, aber es gibt in den USA den Satz: „All politics is local.“ Wir dürfen den konkreten Bezug nicht verges- sen. Wir müssen forschen, um zu verstehen, welche Maßnahmen die Leute bereit sind zu machen und welche nicht. Dann haben wir es leichter, neue Maß- nahmen zu finden und neue Ideen zu entwickeln, die uns einen Schritt weiter in die Richtung nachhaltiger Systeme bringen. 52 Dossier: Green Economy

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