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Dass es so nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. In Deutschland gibt es bereits Ansätze, umzudenken und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren: Immer mehr Menschen kaufen regional und saisonal ein – am besten verpackungsfrei – , verzichten häufiger auf Fleisch und legen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück. Sie schonen damit Ressourcen, verringern die Kohlendioxid-Emissionen und schützen die Umwelt. Viele Menschen ändern ihre Lebensgewohnheiten, um den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Nicht umsonst gehört „Nachhaltige/r Konsum“ und Produktion zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Doch klar ist auch: Mit veränderten Lebensgewohnheiten allein lassen sich die Ziele kaum erreichen. „Ein grundlegendes Umdenken ist gefragt, natürlich auch bei den Verbrauchern, aber am dringendsten in der Produktion, insbesondere beim Produktdesign – weg vom klassischen linearen Wirtschaftsmodell hin zum zirkulären Wirtschaften“, bringt es Dr. Jean-François Renault vom Projektträger Jülich (PtJ) auf den Punkt. Er koordiniert das Kompetenzfeld „Zirkuläre Wirtschaft“.
Die Idee: den Nutzen und den Wert aller Produkte, Teile und Materialien möglichst lange auf einem hohen Standard zu halten. Der Schlüssel dazu: Reparieren, Aufarbeiten und Wiederverwenden. Es gibt praktisch keinen Abfall mehr, sondern nur Ressourcen, die immer wieder und länger zum Einsatz kommen. „In einer zirkulären Wirtschaft spielt Recycling erst dann eine Rolle, wenn alle anderen Nutzungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Vorrang hat das Upcycling – ein Verfahren, bei dem die eingesetzten Ressourcen nach Gebrauch sogar wertvoller sind als zuvor“, erklärt Renault. Der Handlungsdruck ist da – das spiegeln die Zahlen wider: Allein jede und jeder Deutsche verbraucht pro Jahr durchschnittlich 16 Tonnen Metall, Beton, Holz und andere Rohstoffe, Deutschland produziert 1,8 der insgesamt 40 Millionen Tonnen Elektroschrott weltweit. Begrenzt sind auch lebenswichtige Ressourcen, die in unserem Bewusstsein eine noch zu kleine Rolle spielen: Ein Drittel aller Ackerflächen weltweit wird allein nur für die Fleischproduktion der Industrieländer benötigt.
Die Europäische Kommission gibt mit dem Kreislaufwirtschaftspaket die Richtung vor. Länder wie die Niederlande, Frankreich und Finnland setzen zirkuläres Wirtschaften als Forschungs- und Innovationsschwerpunkt auf ihre politische Agenda. Staaten im asiatischen Raum wie Japan und die Volksrepublik China verfolgen schon seit Jahren ähnliche Ansätze. In Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Konzept „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft“ vorgelegt und setzt in diesem Zusammenhang deutliche Akzente. PtJ hat das Konzept gemeinsam mit dem BMBF auf den Weg gebracht. Der Projektträger greift auf jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Förderung von Nachhaltigkeits-, Ressourcen- und Energieeffizienzthemen zurück. Fördermaßnahmen weiterer Bundesressorts tragen bereits zur Umsetzung einer zirkulären Wirtschaft bei.
Die Hürden auf dem Weg zur Circular Economy sind zwar hoch, die damit verbundenen Chancen aber ungleich höher: Die Europäische Kommission schätzt, dass eine erfolgreiche Etablierung der zirkulären Wirtschaft bis 2030 einen zusätzlichen Wachstumseffekt von 1,8 Billionen Euro mit sich bringen könnte. In diesem Zusammenhang sind neue – meist digitale – Geschäftsmodelle gefragt. Zudem müssen alle Beteiligten aus Forschung, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft neue Wege der Zusammenarbeit entlang des Kreislaufs finden – umgesetzt in klassischen Unternehmen, aber auch zunehmend in sozialen Unternehmen wie beispielsweise Repair-Cafés.
„Mut zur zirkulären Innovation!“, lautet Renaults Appell. Für den PtJ-Mitarbeiter steht außer Frage: „Die Schließung des Ressourcenkreislaufs beziehungsweise die Optimierung der Nutzungsphase von Produkten, Gebäuden und Infrastrukturen sind vielversprechende Grundlagen für neue Geschäftsideen, bei denen monetäre Wertschöpfung nicht der einzige Gewinn ist.“
WEBER: Die Frage für Politik und Wirtschaft ist immer, wie groß der Handlungsdruck ist. Mit der Zeit ist ein Gespür dafür gewachsen, dass Preis-, Liefer- und Versorgungsrisiken immer größer, Ressourcen immer knapper werden. Der weltweit wachsende Rohstoffhunger verschärft den Wettbewerb um die begrenzten Ressourcen. Chinas Engagement in Afrika und Südamerika ist hier ein oft genanntes Beispiel. Damit wird deutlich, dass auch Deutschland politisch handeln muss. Sicherlich hat man schon vor 40 Jahren über Wachstumsgrenzen nachgedacht, aber der Handlungsbedarf und der politische Druck waren einfach noch nicht so groß.
ROTTER: Ja, das Thema ist nicht neu. Schon vor etwa 35 Jahren habe ich einem Freund bei der Recherche zum Thema „Design for Recycling“ geholfen. Da gab es schon tolle Ideen, wie beispielsweise im Maschinenbau Werkzeuge recycelbar designt werden müssen. Viele der Aspekte sind lange bekannt. Nur standen damals noch ganz andere Schlagworte auf der politischen Tagesordnung wie „Entsorgungsnotstand“ und „Wilde Müllkippen“. Mit der geordneten Abfallwirtschaft sind dann später Kohlendioxid-Emissionen und Klimaschutz mehr in den Vordergrund gerückt. Heute ist das Thema Kreislaufwirtschaft angesichts der Knappheit von Rohstoffen aktuell.
ROTTER: Man muss das Kreislaufwirtschaftspaket als Konzept von dem eigentlichen Aktionsplan mit den konkreten Zeit- und Gesetzesinitiativen unterscheiden. Die konkreten Umsetzungsvorschläge – wenn beispielsweise Recyclingquoten um fünf Prozent erhöht werden, das lässt sich statistisch kaum messen – sind sicher noch nicht der große Wurf. Der größere Rahmen hat interessante Aspekte. Positiv für mich als Wissenschaftlerin ist, dass die Forschungsseite adressiert wird. Da besteht auch großer Bedarf, beispielsweise Akteure länderübergreifend in Projekten zusammenzubringen, die bisher noch nicht miteinander zu tun hatten. Und ich bin überzeugt davon, dass man sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Projekte wertschöpfungskettenübergreifend anlegen kann. Ich erhoffe mir zudem, dass die Durchlässigkeit zwischen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen aus der Verbundforschung und der Politik größer wird.
WEBER: Mit dem Aktionsplan gibt die EU eine Orientierung für unsere Wirtschafts- und Lebensweise: Eine zirkuläre Wirtschaft wird offiziell als konkretes politisches Ziel benannt. Es wird klarer, in welche Richtung Fördergelder zu vergeben sind, beispielsweise in der Forschungs- und Innovationsförderung. Für Unternehmen bringt das ein Stück weit Planungssicherheit, um zu entscheiden, in was sie investieren sollen. Damit werden Wege frei für neue Geschäftsmodelle, die wir in einer zirkulären Wirtschaft benötigen.
WEBER: Beispielsweise an den Verkauf von Service und Dienstleistungen an Stelle von Gütern: Jemand verkauft anstatt Lampen den Service, die benötigte Raumhelligkeit sicherzustellen – das hat es für ein niederländisches Verwaltungsgebäude schon gegeben. Vorteil im Sinne einer zirkulären Wirtschaft ist, dass das Unternehmen von einem geringen Ressourceneinsatz direkt profitiert und nicht vom Verkauf möglichst vieler Lampen. Wichtig dabei ist allerdings, dass solche Geschäftsmodelle und das Nutzerverhalten zusammengedacht werden: Am Ende des Tages sollten tatsächlich weniger Ressourcen eingesetzt worden sein. So ein Rundum-Beleuchtungsservice könnte ja auch dazu verführen, mehr Licht als wirklich benötigt anzufordern.
ROTTER: Ein internationales Beispiel ist die Elektrifizierung in Afrika. Da gibt es Unternehmen, die erfolgreich Licht und das Laden von Mobiltelefonen als Service verkaufen, die also ein großes Interesse daran haben, möglichst langlebige Produkte einzusetzen. Der Haken an der Sache: das Recycling und die Reparatur. Viele der Produkte stammen aus China, eine Rücklogistik ist kaum zu realisieren. Da ist der globale Markt zurzeit noch eher eine Barriere für die Kreislaufwirtschaft.
WEBER: Es gibt ja keinen Kippschalter, den wir mal eben von Linearität auf Circular Economy umlegen. Wir müssen über Prozesse nachdenken, die sich über Jahrzehnte hinweg entwickeln und die ständig überdacht werden müssen, weil sich so viel ändert, auch die Rahmenbedingungen. Es ist ein dauerhafter Prozess, der alle gesellschaftlichen Kräfte betrifft. Ich sehe die beiden Modelle als gedachte Pole, um die Ziele für unsere zukünftige Wirtschafts- und Lebensweise besser definieren zu können. Es ist kein Entweder-oder, sondern eine Klarstellung, in welche Richtung es gehen soll.
WEBER: Ja, weil die öffentliche Hand dem Gemeinwohl verpflichtet ist und am ehesten die Kreislaufwirtschaft als ein Ziel sieht, das der Gesellschaft einen Mehrwert bringt, während die Privatwirtschaft marktorientiert ist und im Wettbewerb steht. Es geht erst mal darum, Entwicklungen anzuschieben – das ist für die öffentliche Hand leichter.
WEBER: Die Forschungs- und Innovationsförderung ist Wegweiser und Impulsgeber. Sie schafft Anreize, nach dringend benötigten Lösungen und neuen technischen Optionen zu suchen, die Deutschland und Europa auf dem Weg zu einer zirkulären Wirtschaft voranbringen. Fördermaßnahmen wie die des Bundesforschungsministeriums geben oft erst den Anstoß, über Einzellösungen hinaus eine neue Grundrichtung einzuschlagen. So können Fördermaßnahmen Puzzleteil für Puzzleteil liefern und damit zu einem großen neuen Gesamtbild beitragen.
Quelle: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
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