Transfer durch Investitionen

Neue Technologien müssen sich im Markt behaupten. Dafür ist der Preis mitentscheidend. In vielen Fällen brauchen neue Technologien zunächst einen finanziellen Anschub, um hohe Stückzahlen und marktfähige Preise erzielen zu können. Die Investitionsförderung schließt die finanzielle Differenz bei der Beschaffung zwischen konventionellen und neuen Technologien. Das schafft entscheidende Marktanreize.


Ein nachhaltiger Technologieanschub

Um neue Technologien zur Marktreife zu bringen, braucht es Forschung und Zeit. Es sind aber vor allem Investitionsförderprogramme, die den Markthochlauf beschleunigen. Sie helfen, die anfänglichen Mehrkosten zu reduzieren, um einer neuen Technologie den Weg zu ebnen.

Sie prägen unser Stadtbild und sind auch auf dem Land allgegenwärtig: Kurier-, Express- und Paketdienste in verschiedenen Farben und Formen. Zu Fuß, mit dem Lastenrad, mit Leichtfahrzeugen oder kleinen Nutzfahrzeugen beliefern Zustellerinnen und Zusteller zuverlässig die Endkundschaft. Tendenz steigend. Denn: Die Anzahl der Sendungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt; die Lieferverkehre sind entsprechend gestiegen. Insbesondere die sogenannte letzte Meile, also der Transport der Ware von einem Logistikzentrum zum endgültigen Bestimmungsort, ähnelt bisweilen einem Marathon – verbunden mit enormen Kosten und Kohlendioxidemissionen. Vor allem das Ziel emissionsfreier Innenstädte zwingt die Zustelldienste zunehmend, über eine flächendeckende Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge auf der letzten Meile nachzudenken – damit verbunden sind aber auch hohe Anschaffungskosten und Umstrukturierungen in der Zustellung, denn auch die Batterieladung muss bei der Routenplanung berücksichtigt werden.

Mut, um neue Wege zu gehen

Als Initialzündung entpuppte sich in diesem Zusammenhang das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) über die Förderrichtlinie Elektromobilität finanzierte und über PtJ begleitete Projekt ZUKUNFT.DE: Zustellverkehre kundenfreundlich, nachhaltig, flexibel und transparent. Durch Emissionsfreiheit. Mit dabei waren vier führende Zustelldienste Deutschlands – UPS, DPD, HERMES und GLS.

„Was mit einer Handvoll elektrischer Fahrzeuge 2018 in Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg begann, endete 2021 mit 1.000 Elektro-Transportern, die im gesamten Bundesgebiet unterwegs waren“, erzählt Patrick Wichern von der Hamburger hySOLUTIONS GmbH, die das Projekt leitete. Damit hatte anfänglich niemand gerechnet – im Gegenteil. „Zwischendurch dachten wir sogar, wir müssen die Zahl von 500 anvisierten Fahrzeugen wieder reduzieren – das lag zum Teil auch an Corona“, so Wichern. Es brauchte aber auch eine gewisse Zeit, die beteiligten Unternehmen davon zu überzeugen, neue Wege zu gehen und damit einer neuen Technologie den Weg zu ebnen.

Zum Projektende waren 1.000 Transporter bundesweit im Einsatz – verteilt über 70 Standorte. Sie legten innerhalb des Projektzeitraums 12 Millionen Kilometer elektrisch zurück, stellten 17,6 Millionen Sendungen der insgesamt 4,51 Milliarden Sendungen zu und sparten dabei 13.000 Tonnen Kohlendioxid ein – so viel, wie etwa 1.200 Deutsche im Jahr produzieren. Und auch heute sind die Fahrzeuge noch im Einsatz – HERMES beispielsweise arbeitet daran, die städtische Flotte vollständig zu elektrifizieren.

Bei Null angefangen

„Als wir 2016 angefangen haben, ZUKUNFT.DE vorzubereiten, existierten noch keine elektrischen Transporter in Serienreife“, erinnert sich Wichern. Es gab daher auch kaum Erfahrungen, auf denen die beteiligten Partner aufbauen konnten. Lediglich das Thema Ladeinfrastruktur war schon marktgängiger. „Wir haben also bei null angefangen“, resümiert Wichern. Und so mussten die Projektpartner zunächst ihre Hausaufgaben in Sachen Forschung und Entwicklung erledigen: Welche Voraussetzungen müssen die Depotstandorte konzeptionell erfüllen und welche Standorte sind überhaupt geeignet, um Elektrofahrzeuge aufzuladen und loszuschicken? „Die Landschaft ist breit gefächert – von flach bis bergig, von der Großstadt bis zum einzelnen Gehöft, vom Stop-and-Go-Verkehr bis zu längeren Depot-Anfahrten. Diese Aspekte mussten für die Standortwahl vorab geklärt sein“, sagt Wichern. Selbst die Jahreszeiten spielten eine Rolle: Ein Elektrotransporter hat bei Minustemperaturen im Winter eine geringere Reichweite als im Sommer.

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Frankfurt University of Applied Sciences, des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart und der Hamburger Kühne Logistics University setzten in Absprache mit den übrigen Projektbeteiligten einen entsprechenden Kriterienkatalog auf. „Diese ganzen Vorüberlegungen wurden im Forschungsteil abgearbeitet – da mussten wir uns erst mal herantasten“, so Wichern.

Die Infografik zeigt eine Illustration einer Straße mit Gebäuden und Fahrzeugen. Integriert sind folgende Infos: Zum Projektende waren 1.000 Transporter bundesweit im Einsatz – verteilt über 70 Stand¬orte. Sie legten innerhalb des Projekt-zeitraums 12 Millionen Kilometer elektrisch zurück, stellten 17,6 Millionen Sendungen der insgesamt 4,51 Milliarden Sendungen zu und sparten dabei 13.000 Tonnen Kohlendioxid ein

Verknüpfung von Forschungs- und Investitionsförderung

Parallel dazu entwickelten sich die beiden eingesetzten Transportermodelle, der Sprinter von Mercedes Benz und der Crafter von VW, weiter und erreichten schließlich Serienreife – perfekte Voraussetzungen für ZUKUNFT.DE.

Denn an dieser Stelle hat PtJ mit der Aufteilung des Fördervolumens von 20 Millionen Euro die Weichen gestellt: 5,2 Millionen flossen in Forschung und Entwicklung, der Löwenanteil mit 16,8 Millionen Euro ging in investive Maßnahmen, die an die Fahrzeugbeschaffung geknüpft waren. „Das war aus unserer Sicht ein absolut gelungener Wurf: Wir forschen auf der einen Seite nah am Markt und gehen auf der anderen Seite in die Fläche, rollen das Projekt aus und machen es groß – über die Investitionsfördermittel“, resümiert Wichern. Damit wurde die Förderung von Forschung und Entwicklung mit der Investitionsförderung verknüpft, um einen Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse in den Markthochlauf der Flottenelektrifizierung bei den Zustelldiensten zu ermöglichen: Die 1.000 Elektrotransporter spiegeln den Erfolg wider.

Nachhaltiger Anschub

„Wir haben viele Erfahrungen gesammelt und noch mehr voneinander gelernt – in alle Richtungen!“, freut sich Wichern und ergänzt: „Die Forschung hat viel aus der Anwenderpraxis mitgenommen, die Fahrzeughersteller haben in intensiven Austauschen die (Fahrzeug-)Bedarfe der Zustelldienste aufgenommen. Für die wiederum waren es mitunter erste Erfahrungen in einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, sodass hier sowohl die wissenschaftlichen Aspekte als auch das Thema Förderung neues Know-how bedeuten. hySOLUTIONS konnte in dem Zusammenhang spannende Einblicke in die Kurier-, Express- und Paketdienstbranche und die spezifischen Gegebenheiten erlangen.“

Fest steht: Mit ZUKUNFT.DE wurde mithilfe einer Investitionsförderung ein nachhaltiger Anschub geschaffen, die Elektrifizierung der Transporter praxistauglich zu machen. Mittlerweile haben die vier beteiligten Paketdienste Konzepte zur weiteren Elektrifizierung ihrer Flotten entwickelt und den klimaschonenden Verkehr auf ihre Agenda gesetzt.


Volle Fahrt voraus - und zwar elektrisch

Es ist ein ambitioniertes Vorhaben mit Leuchtturmcharakter: Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stellen ihre Busflotte bis 2030 auf umweltfreundliche alternative Antriebe um. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wird dann in der Bundeshauptstadt vollständig klimafreundlich betrieben. Ein wesentlicher Meilenstein für diesen Wandel war die Hochlaufphase Elektromobilität 2018–2022, in der die BVG Erfahrungen mit dem Betrieb verschiedener serienreifer Elektrobusse gesammelt hat. Dr. Daniel Hesse, BVG-Leiter des Programms für die Elektrifizierung der Busflotte, erklärt, wie die Erkenntnisse aus verschiedenen Projekten nun in die weitere Planung fließen.

Sie haben in der Hochlaufphase unterschiedliche Modelle getestet – darunter den E-Metro-Bus. Wer macht denn nun das Rennen?

Dr. Daniel Hesse: Wir picken uns die Rosinen von zwei Technologien heraus: Wir haben einerseits rund 150 Busse getestet, die ihre Batterien auf dem Betriebshof über mehrere Stunden hinweg aufladen, das sind die sogenannten Depotlader. Andererseits gibt es weitere 17 E-Metro-Gelenkbusse, die auf einer bestimmten Strecke fahren und ihre Batterie an den Endhaltestellen aufladen und weiterfahren können. Da sprechen wir von Gelegenheitsladung.

Und künftig kombinieren Sie die Technologien?

Dr. Daniel Hesse: Ja, genau. Bei der Technologie zur Depotladung muss man viel optimieren, um die Reichweite auszuschöpfen; bei dem E-Metro-Bus, der unterwegs auflädt, ist die Reichweite zwar nicht das Thema, aber der Busfahrer muss nachladen können. Sprich: Man muss ein Zeitfenster fürs Laden im Blick haben. Die künftigen E-Busse werden beide Technologien kombinieren – und damit Reichweite und Flexibilität garantieren.

Das von PtJ betreute Projekt E-Metro-Bus auf der Linie 200, das Anfang 2023 endete, beinhaltete auch einen großen Teil Forschung und Entwicklung. Wie sah der konkret aus?

Dr. Daniel Hesse: Wir betreiben keine klassische Laborforschung, sondern es geht darum, ein komplettes System robust zu steuern. Dafür wurde gerade auf der Linie 200 viel Begleitforschung betrieben: Wie steht es um die thermische Behaglichkeit, sprich: Wie empfindet der Fahrgast die Innentemperatur im Bus? Oder wie bekommt man beispielsweise den Strom an die Endhaltestellen? Oder wie umgeht man Spannungsschwankungen? Da besteht auch weiterhin noch viel Klärungsbedarf, bis wir am Ende rund 1.700 Elektrobusse optimal steuern können.

Inwiefern wird der Transfer Ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse in der Beschaffungsplanung weiterer Busse berücksichtigt?

Dr. Daniel Hesse: Aus jeder Beschaffungsrunde gewinnen wir Erkenntnisse und Ergebnisse, die wir bei den Ausschreibungen der nächsten Beschaffungsrunde berücksichtigen. So gewährleisten wir, dass unsere Busse und das gesamte System von Runde zu Runde besser werden.

Spielt denn auch die Umrüstung bestehender Busse eine Rolle?

Dr. Daniel Hesse: Ja, da die BVG in der jüngeren Vergangenheit etliche neuere Dieselbusse angeschafft hat, müssen wir auch diese Möglichkeit im Blick behalten.

Wie sieht Ihre weitere Planung für die Busflotte aus?

Dr. Daniel Hesse: Aktuell gehören 1.500 Busse zu unserer Flotte. 227 Busse davon sind elektrifiziert. Im nächsten Schritt wollen wir etwa 350 weitere E-Busse anschaffen, in denen die Erkenntnisse und Ergebnisse aus den letzten Bussen mit einfließen. Bis zum Jahr 2030 wollen wir die Flotte insgesamt auf 1.700 E-Busse aufstocken – auch mit Unterstützung über Investitionsprogramme, die PtJ mit begleitet. Aber was man immer bedenken muss: Man kauft heutzutage – anders als früher – keinen einzelnen Bus, sondern ein ganzes E-Bussystem, das strategisch optimiert und an die städtischen Gegebenheiten in Berlin angepasst werden muss. Da ist viel Wissen nötig, das wir kontinuierlich aufbauen und erweitern. Dazu zählt auch eine umfassende Infrastruktur und Betriebsplanung. So unterhalten wir aktuell sieben Betriebshöfe, bauen aber zwei weitere auf, da die gesamte Infrastruktur für das Be- und Entladen etabliert werden muss. Gleiches gilt für die Ladeinfrastruktur an den Endhaltstellen. Das ist eine sehr große und umfassende Aufgabe. Eine weitere große Herausforderung ist die Verteilung des Stroms, wie wir den so hinkriegen, dass alle Busse versorgt werden.


Hinter den Kulissen

Einer, der sowohl das Projekt ZUKUNFT.DE fachlich betreut hat als auch die Elektrifizierung der Berliner Busflotte bis 2030 begleitet, ist Erich Kielhorn von PtJ. Welche Rolle Investitionen als Transferinstrument spielen, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter in diesem Interview.

Herr Kielhorn, inwiefern haben Investitionen zum Erfolg von ZUKUNFT.DE beigetragen?

Erich Kielhorn: ZUKUNFT.DE – angelegt als Forschung- und Entwicklungsprojekt mit integrierter Investitionsförderung, hat geholfen, Elektromobilität in die Fläche zu tragen – nämlich bis in die Dörfer. Der Steuerzahler sieht, dass sein Paket nun mit dem E-Lieferwagen gebracht wird. Für jeden ist damit erkennbar: E-Mobilität funktioniert – auch in der Zustellbranche.

Welche Bedeutung hat Forschung und Entwicklung gespielt?

Erich Kielhorn: Es wurden Umfragen zur Akzeptanz der E-Mobilität erstellt – unter den Fahrerinnen und Fahrern, unter den Bürgerinnen und Bürgern, es wurde aber vor allem an der Routenplanung gefeilt, die Fahrzeuge wurden in Absprache mit den Dienstleistern optimiert, das gesamte Last- und Lademanagement auf den Prüfstand gestellt. Und die beteiligten Universitäten konnten ihre Ergebnisse dazu veröffentlichen – alles, um am Ende der E-Mobilität den Weg zu bereiten und zu zeigen, dass die Elektrifizierung auch großer Fahrzeugflotten möglich ist.

Und welche Rolle spielen Investitionen, wenn es um die Elektrifizierung der Berliner Verkehrsflotte geht?

Erich Kielhorn: Es ist ein Leuchtturmprojekt mit internationaler Strahlkraft. Denn nicht nur die Einheimischen, auch Touristen aus anderen Ländern, die die Busse in der Bundeshauptstadt nutzen, werden feststellen, wie leise, sauber und großzügig ausgestattet die neuen Elektrobusse unterwegs sind. Im Jahr 2022 hat PtJ den Berliner Verkehrsbetrieben 250 Millionen Euro für die Anschaffung von etwa 1.500 Elektrobussen bewilligt, die das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur Verfügung stellt. Derartige Investitionen sind deshalb so wichtig, weil die öffentlichen Verkehrsbetriebe die immer noch immensen Mehrkosten für Elektroantriebe und Ladeinfrastruktur allein nicht stemmen können, es aber am Ende um eine gelungene Mobilitätswende geht, die uns alle betrifft.

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Quelle: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH

Bildnachweise


  • Bild „Transfer durch Investitionen“: © supamotion – stock.adobe.com
  • Grafik „Straße“: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Bild Dr. Daniel Hesse: © BVG
  • Grafik „Busse“: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Bild „Bus“: BVG, Christian Retzlaff
  • Bild „Hinter den Kulissen“: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Bild „Transfer durch Normen und Patente“: © kalafoto – stock.adobe.com

Hinweise


Die Texte stammen aus dem Dossier „Transfer gestalten“ des PtJ-Geschäftsberichts 2022.

Redaktion:

  • Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Katja Lüers
  • Regine Hebestreit
Der Projektträger Jülich in Zahlen im Jahr 2023
1.629
Mitarbeiter/innen
30.770
Laufende Vorhaben
3392,05
Fördervolumen in Mio. Euro
4
Geschäftsstellen

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