Transfer durch Demonstrationen

Der Transfer von Innovationen in die Praxis ist oft mit Unsicherheiten und Risiken verbunden. Demonstrationsvorhaben helfen, diese Unsicherheiten zu verringern, indem sie eine realitätsnahe Umgebung schaffen, in der die technische, wirtschaftliche und soziale Machbarkeit einer Innovation bewertet werden kann. Darum ist es ein entscheidender Schritt auf dem Weg in den Markt, neue Technologien unter realen Bedingungen zu testen. PtJ fördert seit vielen Jahrzehnten Demonstrationsvorhaben bzw. Reallabore. Jüngstes Beispiel sind die Reallabore der Energiewende. Die Erkenntnisse über Herausforderungen und Erfolge der Reallabore werden wissenschaftlich eingeordnet und die Ergebnisse in die Breite getragen.


Trans4ReaL: Sprachrohr der Reallabore

Im Februar 2023 fiel der Startschuss für das jüngste Reallabor: Das Referenzkraftwerk Lausitz (RefLau) trägt mit fünf weiteren Reallaboren im Bereich Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien zur Energiewende bei. Damit die Erkenntnisse und Ergebnisse aus den Demonstrationsvorhaben in die Breite getragen und flächendeckend genutzt werden können, gibt es das von PtJ begleitete Transferforschungsprojekt Trans4ReaL.

Von Schleswig-Holstein bis nach Baden-Württemberg, von Nordrhein-Westfalen bis nach Sachsen-Anhalt – sie verteilen sich über die gesamte Fläche der Bundesrepublik: die Reallabore der Energiewende – entstanden aus einem Ideenwettbewerb 2019. Ihre Ansätze sind so unterschiedlich wie ihre geografische Verteilung.

Während sich die eine Gruppe der Reallabore auf eine energetische Optimierung von Gebäuden konzentriert, erprobt die andere Gruppe neue Wasserstofftechnologien im industriellen Maßstab in realer Umgebung und versucht dabei die unterschiedlichen Sektoren optimal miteinander zu verknüpfen. Die Konzepte variieren und sind deshalb nur schwer miteinander zu vergleichen. So widmet sich beispielsweise H2Stahl in Nordrhein-Westfalen der Frage, wie sich Stahl mit Wasserstoff nachhaltiger erzeugen lässt, das Reallabor H2-Wyhlen in Baden-Württemberg beschäftigt sich ausschließlich mit der Wasserstoffherstellung über die Elektrolyse und nutzt dafür Strom aus Wasserkraft. Das Norddeutsche Reallabor in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, das Reallabor WESTKÜSTE 100 in Schleswig-Holstein sowie der Energiepark Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt wiederum bilden große Teile der Wertschöpfungskette von der Wasserstoffproduktion bis zur Anwendung ab.

Das Bild zeigt Wassertropfen auf Wasser in Großaufnahme und symbolisiert Wasserstoff.

Trans4ReaL vernetzt die Reallabore

„Da treffen sehr unterschiedliche Überlegungen, Ideen und ganz viel Wissen aufeinander – dennoch ergeben sich viele ähnliche Fragen. Hier setzen wir mit unserer Transferforschung von Trans4ReaL an: Wir sammeln Ergebnisse zur Erzeugung, Verteilung und Anwendung von Wasserstofftechnologien und generalisieren sie, sodass sie einen Mehrwert für Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft bilden“, erklärt Simon Pichlmaier, Projektleiter von Trans4ReaL und Leiter Wasserstoff und synthetische Energieträger der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München. Einfach formuliert: Die Vernetzung der Reallabore untereinander ist zunächst die Hauptaufgabe von Trans4ReaL.

„Gleichzeitig fungiert Trans4ReaL aber auch als Sprachrohr der Reallabore nach außen“, ergänzt Dirk Schönbohm von PtJ, der das Projekt gemeinsam mit seinem Kollegen Bernd Krafft von PtJ förderrechtlich begleitet – Schönbohm aus Sicht des Wissenschaftlers, Krafft aus der Perspektive des Betriebswirts. Das Begleitvorhaben sei in der Lage, die Ergebnisse und Interessen der Partner zu bündeln und an die Politik weiterzuleiten, um auf grundlegende Probleme der Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien hinzuweisen. „Diese Kommunikation der Reallabore untereinander und nach außen ist alles andere als trivial, da die Unternehmen, die beteiligt sind, teilweise in Konkurrenz zueinander stehen und vor diesem Hintergrund nicht immer ihre Lösungen oder Ergebnisse teilen wollen“, erklärt Schönbohm.

Trans4ReaL

Die Transferforschung besteht aus einem interdisziplinären Konsortium aus sieben Partnern – beteiligt sind neben der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) die Dechema Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik, die Agora Energiewende, die Stiftung Umweltenergierecht, die Ruhr-Universität Bochum sowie die TU München – Hochschule für Politik.

Projektlaufzeit: 1. April 2021 bis 31. März 2026
Fördervolumen: 7 Millionen Euro
Fördermittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Vernetzung als Mehrwert überwiegt

Und dennoch überwiegt für alle Reallabor-Beteiligten der Mehrwert der Vernetzung durch Trans4ReaL: „Während sich die einzelnen Projekte auf bestimmte Technologien spezialisieren, können wir in Trans4ReaL übergeordnete Fragestellungen angehen. Wir analysieren zum Beispiel Liefer- und Produktionsketten von grünem Wasserstoff sowie die Ökobilanz von Wasserstoffpfaden. Wir untersuchen auch, wie zukünftige Energieszenarien und Marktmodelle sowie rechtliche oder regulatorische Rahmenbedingungen ausgestaltet sein müssten. Die Transferforschung tut dies im engen und regelmäßigen Austausch mit den Reallaboren, um so auch die reale Anwendbarkeit auf die Probe zu stellen. Dafür werden Workshops, Diskussionsrunden, gemeinsame Papiere oder auch bilaterale Gespräche genutzt. Die Aufgabe von Trans4ReaL ist es, die Lösungen so zu gestalten, dass sie die Reallabore auf der einen Seite, aber vor allem den Hochlauf von Wasserstoff auf der anderen Seite unterstützen. Denn es ist klar, dass von allein kein Wasserstoffmarkt entsteht. Es braucht dafür passende Anreizsysteme“, bringt es Prof. Ulrich Wagner von der FfE in München als Projektsprecher auf den Punkt.

Umso wichtiger ist ein vertrauensvolles Miteinander: „Über bilaterale Gespräche, die monatlich stattfinden, halten wir engen individuellen Kontakt zu den Reallaboren“, erzählt Pichlmaier. Während der Trans4ReaL-Projektpartner Dechema die industriell geprägten Reallabore wie WESTKÜSTE 100 betreut, konzentriert sich die FfE auf die energiewirtschaftlich ausgerichteten Reallabore wie Bad Lauchstädt. „Diese vertraulichen Gespräche verlaufen jedes Mal anders, manchmal dauern sie nur ein paar Minuten, dann wieder eine Stunde“, erklärt Pichlmaier. Wenn sich dabei ähnliche Probleme abzeichnen, ist es für die Trans4ReaL -Mitarbeitenden an der Zeit, ein passendes Lösungs-Format für alle Demonstrationsvorhaben zu entwickeln: beispielsweise in Form von Workshops, Studien oder Handlungsempfehlungen an die Politik. „Diese Flexibilität ist für ein Begleitforschungsprojekt eher ungewöhnlich, aber dieser Herausforderung müssen wir uns stellen, da auch die Entwicklung des Wasserstoffmarktes ein hochdynamischer Prozess ist“, resümiert Pichlmaier.

Trans4ReaL erarbeitet Handlungsansätze für die Politik

Ein Beispiel sind aufwendige Genehmigungsverfahren: Während sich die industriell geprägten Reallabore mit dem Thema prinzipiell gut auskennen und viel Know-how mitbringen, ist es für andere Beteiligte absolutes Neuland. „Auch Kommunen als genehmigende Behörden wissen oft nicht genau, was zu tun ist“, sagt Pichlmaier. Vor diesem Hintergrund hat Trans4ReaL bereits einen Workshop zu Genehmigungsverfahren organisiert – mit dem Schwerpunkt auf Elektrolyseure im Multi-Megawatt-Bereich, denn die Genehmigungsprozesse dort sind umfangreicher und zeitaufwendiger als bislang angenommen. „Bundeslandspezifische Unterschiede stellen für die Antragstellenden eine weitere Herausforderung dar. Erschwerend kommt hinzu, dass zentrale Ansprechpartner in den Behörden vor Ort oft gar nicht vorhanden sind und damit auch das Wissen fehlt, eben weil es noch keine großflächige Wasserstoffwirtschaft gibt“, erklärt Pichlmaier. Daraus ergibt sich für Trans4ReaL ein weiterer Handlungsbedarf, nämlich die Ausarbeitung von Handlungsansätzen, beispielsweise die Erstellung von beschleunigenden und vereinfachenden Maßnahmen, um die Genehmigungsverfahren voranzutreiben. „Trans4ReaL wurde den Reallaboren auch als strategisches Projekt zur Seite gestellt. Die Erkenntnisse aus der Synthese der Reallabore sind für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der weiteren Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft von großem Interesse“, erklärt Pichlmaier

Wissenstransfer zwischen Forschung und Industrie

„Wir wollen bis zum Projektende 2026 nicht nur die Reallabore untereinander vernetzen und die Ergebnisse in verallgemeinerbare Aussagen überführen, sondern auch dazu beitragen, dass sich die Menschen aus den beteiligten Forschungseinrichtungen und Unternehmen besser kennenlernen, um eine Wasserstoff-Community aufzubauen“, so Pichlmaier. Wünschenswert im Sinne von Wissenstransfer sei es in diesem Zusammenhang, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von beteiligten Forschungseinrichtungen später einmal in die Industrieunternehmen wechseln. Für den Trans4ReaL -Projektleiter steht fest: „Die jetzigen Reallabore sind die Vorläufer für die nächste Generation. Unsere Ergebnisse aus Trans4ReaL helfen, die nächstgrößere Skalierungsstufe möglichst gut vorzubereiten.“ Gleichzeitig besteht über die Reallabore die große Chance, einen wichtigen Schritt in Richtung Transformation zu einem Wasserstoffmarkt zu gehen und den damit verbundenen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Die Reallabore der Energiewende

Die Grafik zeigt eine Deutschlandkarte, auf der verschiedene Standorte markiert sind.

Quelle: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH

Mit dem Förderformat Reallabore der Energiewende schließt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die technologische Entwicklungslücke für Innovationen zwischen der anwendungsnahen Forschung und der breiten Umsetzung in der Praxis. Die Akteurinnen und Akteure der Reallabore der Energiewende profitieren von dem ausgeprägten Vernetzungsgedanken des Förderformats sowie der Transfer- und Begleitforschung. Von den Gewinner-Konsortien sind inzwischen zwölf Reallabore der Energiewende erfolgreich gestartet (Stand Juni 2023).

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Transfer Gestalten - Kapitelübersicht

Die Grafik dient als Inhaltsverzeichnis und zeigt die 5 Kapitel

Quelle: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH

Bildnachweise


  • Bild „Transfer durch Demonstrationen“: © artegorov3@gmail – stock.adobe.com
  • Bild „Sprachrohr der Reallabore“: © Oleg – stock.adobe.com
  • Bild „Die Reallabore der Energiewende“: Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Bild „Transfer durch Investitionen“: © supamotion – stock.adobe.com

Hinweis


Die Texte stammen aus dem Dossier „Transfer gestalten“ des PtJ-Geschäftsberichts 2022.

Redaktion:

  • Projektträger Jülich, Forschungszentrum Jülich GmbH
  • Katja Lüers
  • Regine Hebestreit
Der Projektträger Jülich in Zahlen im Jahr 2023
1.629
Mitarbeiter/innen
30.770
Laufende Vorhaben
3392,05
Fördervolumen in Mio. Euro
4
Geschäftsstellen

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